Entrostung der Sitzathleten - mehr Beweglichkeit im Tennis
Neben Einheiten zur Technik und Taktik gilt das Athletik- und Schnellkrafttraining meist als Schlüssel zum Erfolg im Tennissport. Daneben fristete das Thema der Beweglichkeit lange nur ein Schattendasein. Ein großer Irrtum, wie Silvester Neidhardt erklärt. Für ihn ist körperliche Funktionalität die Basis für langfristigen sportlichen Erfolg. Warum das so ist und wie wir als Trainer:in die Beweglichkeit unserer Spieler:innen optimal fördern können, erfahrt ihr hier.
Seien wir ehrlich: Der Passierball im Spagat à la Novak Djokovic oder Serena Williams, wird für uns normalsterbliche Tennisspieler*innen wohl für immer ein frommer Wunsch bleiben. Die meisten scheitern schließlich schon daran in die tiefe Hocke zu kommen ohne die Fersen vom Boden zu lösen. Nun scheint diese natürliche Sitzposition zwar auf den ersten Blick auch nicht die entscheidendste Fähigkeit zu sein, um Matches zu gewinnen. Doch wie so oft steckt mehr dahinter, als man auf den ersten Blick denkt. Sie steht nämlich bildhaft für die fehlende Mobilität von Hüfte und Sprunggelenk, die man fast schon tennis-typisch über alle Leistungsklassen hinweg beobachten kann. Die Folgen sind Fehlstellungen und Kompensationen — “der Körper schummelt”.
Aber es geht bei dem Thema "Beweglichkeit" nicht nur um gesundheitliche Aspekte, denn auch die eigene Performance auf dem Tennisplatz leidet. Wer z.B. im Sprunggelenk zu fest ist, kommt auch beim Abdruck für den Sprint ans Netz langsamer aus den Startlöchern. Wem die Beweglichkeit in der Schulter fehlt, dem fällt es schwerer seine Kraft effektiv einzusetzen und der schlägt infolge dessen möglicherweise langsamer auf.
Silvester Neidhardt ist einer der führenden Experte für Funktionalität und Beweglichkeit im deutschsprachigen Raum. Im Tennis hat er u.a. mit Günther Bresnik und Rainer Schüttler zusammengearbeitet. Im Podcast erklärt er, warum Beweglichkeit und Funktionalität so wichtig für die eigene Gesundheit und Leistung auf dem Platz sind und wie man sie überprüfen und verbessern kann.
“Es gibt leider so viele Tennisspieler die auf den Füßen stehen, aber der Oberkörper ist so als ob er noch sitzen würde. In einem runden Zustand.” — Silvester Neidhardt
Das Knie muss stabil — die Hüfte mobil sein
Diese leistungslimitierenden Einflüsse sind allerdings nur eine Seite der Medaille. Wirklich problematisch wird es da, wo fehlende Funktionalität und starke Belastung aufeinandertreffen. Hier können schon Einschränkungen in einem kleinen Gelenk dafür sorgen, dass das ganze System geschädigt wird.
Sichtbar wird das beim sogenannten Joint-by-joint Ansatz nach Gray Cook und Michael Boyle. Hiernach besteht die menschliche Anatomie aus Gelenksgruppen, die abwechselnd mobilisierende und stabilisierende Aufgaben erfüllen.
Fehlt jedoch einem Gelenk die nötige Stabilität bzw. Mobilität, springt ein übergeordnetes Gelenk ein. So sorgt eine zu geringe Stabilität im Knie z.B. dafür, dass die Hüfte diese Funktion teilweise mit übernehmen muss, worunter wiederum die Hüftmobilität leidet. Diese Kette lässt sich von Gelenk zu Gelenk (joint-by-joint) fortführen. Das Ergebnis sind z.B. Knieschmerzen, die in Wahrheit durch eine zu geringe Mobilität des Sprunggelenks ausgelöst werden.
Es ist also wichtig die Funktionalität seiner Gelenke regelmäßig zu überprüfen. Im Training haben die Stellschrauben Stabilität, Mobilität und Flexibilität allerdings lange Zeit nur ein Schattendasein geführt. Dabei ist die Bedeutung einer guten Gelenk-Funktionalität für die körperliche Gesundheit und Leistungsfähigkeit schon länger klar.
“Die klassische Trainingslehre war viel zu lange geprägt von einem Schneller, Höher, Weiter. Aber was vergessen wurde war die grundlegende Basis und Funktionalität, die die Anatomie uns mitgibt.”
All das gilt speziell für den (Tennis-) Sport, allerdings auch grundsätzlich für unseren, vom Sitzen geprägten Alltag. Doch in beiden Fällen gibt es nun Abhilfe: (1.) In Silvesters neuem Buch “Steh jetzt auf!” und (2.) in Folge Nummer 4 unseres Podcasts Spieleröffnung. Hierin erfahrt ihr unter anderem, was die genauen Unterschiede zwischen Mobilität und Flexibilität sind, welche Rolle unser Gehirn dabei spielt und wie ihr verlorengegangene Beweglichkeit zurückgewinnen könnt. Hört rein!